Immer wieder stoßen wir im Umgang mit unseren Kindern und Teens an Fragen wie: „Wie viel Autorität ist gut?“ „Wo ist meine Grenze?“, Wo sind die Grenzen meiner Kinder?“ „Darf ich bei meinen Teens denn überhaupt noch autoritär sein?“ Aber was bedeutet denn eigentlich autoritär?
Die verschiedenen Autoritätsformen können auf zwei Beziehungsebenen dargestellt werden.
Da gibt es auf der einen Seite die Beziehungsebene „kontrollieren / lenken“ und auf der anderen Seite die Beziehungsebene „unterstützen / ermutigen“.
- „Kontrollieren / lenken“ bedeutet: das Kind zu einem erwünschten Verhalten zu bringen;
- „unterstützen / ermutigen“ bedeutet: das Kind fühlt sich in der Gegenwart der Eltern wohl und weiß sich als Persönlichkeit angenommen.
Theoretisch können aus diesen beiden Beziehungsebenen 4 Erziehungsstile unterschieden werden. Zwei dieser Autoritätsformen möchte ich nur am Rande erläutern, da ich denke, dass sie für uns hier nicht so sehr relevant sind.
- der vernachlässigende Erziehungsstil. Er bedeutet, dass sowohl Unterstützung und Ermutigung als auch Kontrolle und Lenkung sehr niedrig sind. Diese Kinder haben praktisch keine gemeinsame Zeit mit ihren Eltern. Und finden bei ihnen kaum Beachtung. Ein Beispiel hierzu wäre, wenn die Tochter in wirklich „riskanten“ Klamotten rumläuft und der Vater, bzw. die Mutter dazu schweigt. Die Eltern erkennen zwar, dass solche Kleider ihre Tochter vielleicht in brendzliche Situationen bringen könnte, lassen sie aber komplett in Ruhe. Die Eltern erziehen nach dem Motto: „Ich will meine Ruhe haben und lasse sie auch meinen Kindern“. Sie vernachlässigen sie. Der Zusammenhalt zwischen Eltern und Kind ist in einer solchen Familie sehr schwach.
- der nachlässige Erziehungsstil. Er bedeutet, dass zwar Unterstützung und Ermutigung sehr hoch sind, Kontrolle und Lenkung aber praktisch fehlen. Diese Eltern gehen davon aus, dass ihr Kind von Natur aus gut ist, und sich daher durch Ermutigung und Unterstützung automatisch gut entwickeln wird. Grenzen sind hier nicht nötig. Dieser Erziehungsstil berücksichtigt jedoch nicht, dass Kinder selbstbezogen sein können und noch nicht ausreichend Lebenserfahrung gesammelt haben, um immer gute Entscheidungen treffen zu können und daher elterliche Leitung benötigen, um Werte und rücksichtsvolle Verhaltensweisen zu lern
Interessanter sind für uns die beiden anderen Erziehungsstile. Hier steht auf der einen Seite der autoritäre und auf der anderen Seite der autoritätsbezogene Erziehungsstil. Betrachten wir zuerst den autoritären Erziehungsstil.
Beim autoritären Erziehungsstil oder auch Machtautorität ist die „Unterstützung / Ermutigung“ sehr niedrig und die „Kontrolle / Lenkung“ sehr hoch. Machtautorität bedeutet nichts anderes als Autorität durch Macht auszuüben. Solange die Kinder klein sind, haben wir Macht über sie, weil wir die Eltern sind.
Machtautorität beruht auf der Angst vor der Reaktion der Eltern. Kinder verhalten sich angepasst, weil sie Angst vor der Strafe haben. Sie fühlen sich ihren Eltern gegenüber machtlos. Die Entwicklung ihres Selbstwertgefühles leidet.
Man kann sich gut vorstellen, dass eine solche Autoritätsform langfristig zu lautstarker Rebellion oder zu stillem Duckmäuserverhalten führt. Je älter die Kinder werden, desto mehr nehmen die Kontrollmöglichkeiten der Eltern ab, als auch die Angst der Kinder vor Strafen. In meiner Praxis erleben ich immer wieder Teens, die sich mit ihren Eltern in einem Machtkampf befinden und sich von ihnen nicht verstanden fühlen. Teens die in offener Rebellion mit ihren Eltern stehen und die letztendlich schon von vorneherein gegen alles sind, was ihre Eltern sagen.
Kinder und Teens brauchen aber Autoritäten, also Vor- und Leitbilder, um sich störungsfrei entwickeln zu können und um sich ein eigenes Weltbild aufzubauen. Wir alle möchten unsere Teens zu selbständigen und verantwortungsbewussten Erwachsenen erziehen.
Darum möchte ich jetzt zum autoritätsbezogenen Erziehungsstil kommen. Beim autoritätsbezogenen Erziehungsstil, oder auch Beziehungsautorität genannt, sind beide Beziehungsebenen hoch. D.h., dieser Erziehungsstil vereinigt Unterstützung und Ermutigung mit Lenkung und Kontrolle. Hierbei geht es um Autorität durch Beziehung. Das Kind wird sich angemessen verhalten, weil es seine Eltern liebt und achtet. Beziehungsautoritäre Eltern führen ihr Kind zu einem eigenverantwortlichen Leben.
Natürlich verschieben sich diese beiden Schwerpunkte der Kontrolle bzw. Lenkung und der Unterstützung bzw. Ermutigung, je älter die Kinder werden.
Mit dem Beginn der Pubertät muß sich auch der Erziehungsschwerpunkt der Eltern ändern. Der Erziehungsstil muß mehr Freiräume gewähren und sich an die Entwicklung des Kindes anpassen. Das ist gar nicht so leicht. Es hat sich aber gezeigt, das ein von Autorität geprägter Erziehungstil die positivste Wirkung auf die Entwicklung hat. Der junge Mensch braucht in dieser Zeit eine Führung durch die Eltern, die auf der Basis des Vertrauens beruht und ihn sowohl in die Selbständigkeit führt, wie auch angemessene Grenzen setzt, an denen er sich reiben kann. Gespräch und Auseinandersetzung gehören darum zum festen Bestandteil im Jugendalter.
Wenn der Teen keine Grenzen mehr gesetzt bekommt fühlt er sich unsicher und alleine gelassen. Es hat nicht die Möglichkeit sich an Grenzen zu reiben, um dadurch zu wachsen.
Erziehungsautorität sollte helfen, den Weg in die Freiheit zu finden, sich kritisch mit gesellschaftlichen Werteangeboten auseinander zu setzten, um dadurch eigene Einsichten zu gewinnen, die auf christlicher Grundlage beruhen.
Dabei steht die gute Beziehung zum Kind bzw. zum Teenager immer im Mittelpunkt.